4. Fro welt

T: Hugo von Montfort (1357-5.4.1423)

M: Burk Mangolt

Handschrift 1414/15 (Fertigstellung), Heidelberg cpg 329

(Schweinskopfpsalter, Dulcimer, Glocke, Schellenkranz; Gesang: Thomas Schallaböck, Martina Noichl)

Der vorarlbergische Adelige Graf Hugo V. (VIII.) von Montfort-Bregenz machte in der Politik seiner unmittelbaren Heimat, der habsburgischen Schweiz und der Steiermark Karriere, weil er es verstand, seinen habsburgischen Herren erfolgreich zu dienen. In seinen Dichtungen zeigt sich Hugo immer wieder als Moralist, denn neben der Liebe macht er hauptsächlich Didaktisches und Religiöses zu seinem Thema.

Die Trennung von Dichter und Komponist war in dieser Zeit einmalig. Dazu schrieb Hugo in einem seiner Lieder: „Die weysen zu den lieden der han ich nicht gemachen, ich will euch nicht betriegen ... die weysen hat gemachet Burk Mangolt, unser treuer knecht." Dieser war natürlich kein Knecht im heutigen Sinn, sondern ein hoher Beamter unter Hugo von Montfort und mit den Bürgerrechten der Stadt Bregenz ausgestattet.

Fro welt ir sint gar hüpsch und schoen

und ewer lon für nichte

gar liebi wort und suess gedoen

als ierr da ist kain schlichte

Wer sich mit dir bekümbern tuot

der ist zwar in ain iergang komen

und geit am jungsten boesen muot

das han ich sicher wol vernomen

„Frau Welt, ihr seid besonders hübsch und schön

und doch hat euer Schatz keinen Wert.

Besonders liebe Wörter und süße Töne

ebenso ein Irrtum, das ist keine Aufrichtigkeit.

Wer sich mit dir einläßt,

der ist wahrlich auf einem Irrweg

und gierig nach den neusten Versuchungen

dies habe ich ganz sicher erfahren."

Lieber gesell wes zeichst du mich

ich han dir dikch doch muot gegeben

das du mich hast so gar vernicht

du solt mit froeden mit mir leben

Lass vogelli sorgen und gang zuo mir

und spring mit froeden an den tantz

das wil ich sicher raten dir

setz auff dein haupt ain rosen krantz

Lieber Freund, wessen bezichtigst du mich,

ich habe dir doch reichlich Frohmut gegeben.

Du hast mich gänzlich vernichtet,

dabei sollst du in Freude mit mir leben.

Laß die Vögel Sorge tragen und komm zu mir

und spring mit Freuden beim Tanzen.

Das möchte ich dir bestens anraten,

setz auf deinen Kopf einen Rosenkranz."

Das tantzen han ich verhaissen

kain schappel getrag ich niemer me

daz wil ich zwar an zweyfel laisten

es tuo mir wol oder we

Ich han die welt gewandelt vil

und han sey gar wol gesehen

und ist doch als ain narrenspil

wil ich mit gantzer warhait iehen.

„Dem Tanzen habe ich abgeschworen,

einen Blumenkranz trag ich niemals mehr.

Dies werde ich wahrlich ohne Zweifel machen,

ob es mir nun angenehm ist oder auch nicht.

Ich bin in der Welt viel herumgekommen

und habe sie ausgesprochen schön empfunden,

aber doch ist sie ein Narrenspiel,

das möchte ich in voller Wahrheit bestätigen."

Und hast du dann ain kutten gessen

oder wilt du in ain closter varn

du solt die sach vil anders messen

und solt dich selber bas bewarn

Sich mit willen an die weib

tuo fröhleich gen mir lachen

die sind der welt doch laid vertreib

mainst du auss uns ain narren spil hie machen

„Ja hast du denn eine Kutte gegessen

oder willst du in ein Kloster eintreten?

Du mußt die Sache ganz anders beurteilen,

und auf dich selbst besser aufpassen.

Schau mit Interesse die Frauen an,

lach mich fröhlich an,

das vertreibt das Leid aus dieser Welt,

während du glaubst, aus uns ein Narrenspiel zu machen."

Ich enwaiss nicht was ich machen wil

die welt ist ain zergangkleich leben

ewer antwurt der ist mir ze vil

gott tuot die rechten gaben geben

Die welt die geit nu triegen

das mertail in allen landen

mit laichen und mit liegen

o pfuch der grossen schanden

„Ich weiß nicht, was ich machen werde,

die Welt ist eine vergängliche Sache.

Eure Antwort, die erscheint mir übertrieben.

Gott allein schenkt die richtigen Gaben.

Die Welt ist gierig nach Betrug,

der Großteil in allen Ländern lebt

mit Täuschen und Lügen.

O pfui, dies große Schande!"

Ich gelaub du wellist werden wild

wie hast du dich verkeret

sich an ain liepleich weipleich bild

ob sich dein froede meret

Schlach trawren auss dem hertzen

wer sol all sach bedenken

tuo liepleich mit mir schertzen

won unmuot das tuot krenken

„Ich glaube, du beabsichtigst verrückt zu werden,

wie hast du dich verändert.

Sieh an das liebliche, weibliche Bild,

damit deine Freude größer wird.

Wirf die Trauer aus dem Herzen.

Wer alles bedenken muß,

soll freundlich mit mir scherzen.

Vorhandene, schlechte Laune macht krank."

Ir schlahent brey für gebratens dar

und messentz mit der eln auss

wend ir nicht sterbens nemen war

da für ist nieman zwar behaus

Ich han groß wunn und frod gesehen

von weiben und von mannen

und ist in kurtzer zeit beschehen

mit sterben als zergangen

"Ihr bietet Brei als Braten an

und nehmt falsches Maß,

wenn ihr nicht den Tod wahrnehmt,

dort ist wahrlich für niemand ein Zuhause.

Ich habe große Wonnen und Freuden gesehen

bei Frauen und bei Männern,

doch ist dies in kurzer Zeit vorbei,

durch den Tod verflossen."

Du saist von alten meren da

und wenst die welt die well zergan

von wunder muost du werden gra

du solt freyleich von den sorgen lan

Du solt fröleich hie auff erden sein

dir mag nicht anders werden

mit frawen und mit tochterlein

nicht sorg auff todes sterben

„Du erzählst alte Geschichten

und meinst die Welt, die müsse untergehen

Von Neugierde wirst du ergrauen.

Du sollst unbefangen die Sorgen sein lassen.

Du sollst fröhlich hier auf Erden sein,

für dich wird sich nichts ändern

Mit den Frauen und dem Töchterlein

sorge dich nicht um den Tod."

Im Mittelalter war man es gewohnt mit Gegensätzen - viel krasseren als heute - das alltägliche Leben zu verbringen: Nebeneinander wurde geliebt und gehaßt, geboren und gestorben, gesündigt und ge- büßt, gelebt und dem Leben entsagt.

„Frau Welt" tritt immer wieder als literarische Figur der Verkörperung alles Weltlichen, der Freuden und Lustbarkeiten dieses Lebens, der Versuchungen und Sünden auf. Der Mensch ist nun aufgerufendem Locken von „Frau Welt" zu widerstehen und sein Seelenheil zu retten.

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