3. Ich het czu hannt

T&M: Mönch von Salzburg (2.Hälfte 14. Jh.)

Mondsee-Wiener Handschrift 1472, Wien nr. 2856

(Schellenband, Sopraninoblöckflöte, Gotische Harfe geschnarrt, Dulcimer, Alt- und Tenorcornamuse, Renaissancedrehleier, Soprancornamuse; Gesang: Andreas Gutenthaler)

Wer verbirgt sich hinter dem Pseudonym "Mönch von Salzburg"? Mit Bestimmtheit läßt sich sagen, daß er, der bedeutendste „Dichterkomponist" des deutschen Sprachraumes im 14. Jahrhundert, eine enormen Popularität besaß, denn in über 100 Handschriften sind seine 49 geistlichen und 57 weltlichen Lieder überliefert. War es ein Hofdichter des Salzburger Fürsterzbischofs Pilgrim II. oder gar der Herr Erzbischof selbst? Es wäre nur allzu verständlich, hätte dieser nicht unter eigenem Namen geschrieben, handeln doch einige seiner Lieder von der Liebe.

Ich het czu hannt geloket mir

ain falcken waidenleichen

das hat verloren all sein gir

und tuet sich von mir streichen

hiet ichs gepaist noch meinem muet

es wär als willd nye worden

das tet ich nicht und lies durch guet

darumb han ichs verloren

es ist mir worden ungeczäm

das tut mir we in herczen

gar übel ich im des gan

es kund wol wennden smerczen

Ich hatte mir zur Hand gelockt

einen schönen, edlen Falken;

er hat die Lust zur Jagd verloren

und streicht mir jetzt davon.

Hätt ich ihn streng gebeizt,

er wär nicht wild geworden.

Das tat ich nicht und war zu gut.

darum hab ich ihn verloren.

Er ist nicht zahm geblieben,

das tut mir weh;

nie kann ich das verzeihen,

er weiß den Schmerz zu heilen.

West ich sein strich ich volgt im nach

ob ich es möcht gewynnen

chain vederspil ich nye gesach

das sich tät mynner swingen

(es wust sein vart wie weit es gieng)

und hat sich doch verflogen

mit ainem trappen der es fieng

der hat mein fälklein betrogen

hiet ichs gepaist ...

Wüßt ich den Weg, ich folgte seinem Strich,

möcht ihn zurückgewinnen.

Nie sah ich einen Falken

sich schöner schwingen,

er wußt wie weit er fliegen sollt

und hat sich doch verflogen

zu einer Trappgans, die ihn fing;

mein Fälklein hat sie mir verführt.

Hätt ich ihn streng gebeizt ...

Nw traw ich allen waidgesellen

die habent mirs versprochen

das sy den trappen paissen wellen

pis das ich werd gerochen

fürbas ich mir stellen wil

allain nach edelm vederspil

das sich nicht tuet verfliegen

und kainen fürbas betriegen

hiet ichs gepaist ...

Nun hoff ich, daß die Jagdgefährten,

wie sie versprochen haben,

die Trappgans weidwund hetzen,

um mich dafür zu rächen.

Jetzt stell ich nur noch Falken nach,

die treu und edel sind,

die sich niemals verfliegen

und keinen Trug begehen.

Hätt ich ihn streng gebeizt...

Ein Ritter beklagt sich darüber, daß sein Jagdfalke, den er so sehr liebte, unerlaubt einer Trappgans nachgeflogen und nicht mehr zurückgekehrt sei. Wegen einer lächerlichen Trappgans wird ihm die Treue gebrochen. So meint der Ritter, er hätte den Falken schärfer beizen müssen, denn nur eine strenge Erziehung erhält die Treue.

Dieses Jagdlied ist natürlich eine Parabel auf die Liebe: Frauen wie Falken brauchen eine strenge Hand! Zumindest glaubten dies die "mittelalterlichen Machos".

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