12. We warumbe

T: Ulrich von Lichtenstein (ca. 1200-1275)

„Manessische Liederhandschrift" Anfang 14. Jahrhundert, Heidelberg cpg 848, Handschrift um 1300, München cgm. 44

M: Kontrafaktur wahrscheinlich auf ein unbekanntes Trobadorslied des 12./13. Jahrhunderts, dessen Melodie durch das altfranzösische Lied „Onquez mais mainz esbahis" überliefert wurde, Handschrift R, Paris fr. 1591

(Schoßharfe, Tenorblockflöte, Sopraninoblockflöte, Fingerzimbeln, Schellenkranz, Darabuka; Gesang: Thomas Schallaböck)

Dem steirischen Ministerialen Ulrich von Lichtenstein gelang es auf der mittelalterlichen Karriereleiter aufzusteigen: 1222 wurde er Ritter, 1244 Truchseß, 1267 Landesmarschall und Landrichter der Steiermark. Neben der Politik blieb ihm aber noch Zeit eine der außergewöhnlichsten Verserzählungen des Mittelalters zu verfassen, den „Frauendienst". Als Autobiographie stilisiert erzählt er von seinem Bemühen um eine Frau. Die eingefügten 58 Minnelieder gehörten natürlich auch zum „Werbematerial" in Sachen sich verzehrender Sehnsucht.

Ein sincwise und ist diu sibende wise

Wê war umbe sul wir sorgen? vreude ist guot.

Von den wîben sol man borgen hôhen muot.

Wol im, der in kan gewinnen

von in! derst ein saelic man.

freude sol man durch sie minnen:

wan dâ lît vil êren an.


Wir süln tanzen, singen, lachen durch diu wîp.

Dâ mit mac ein man gemachen, daz sîn lîp

Wirdet wert, ob er mit triuwen

dienet guoter wîbe gruoz.

swen sîn dienest wil geriuwen,

dem wirt selten kumbers buoz.


Mit dem wazzer man daz fiuwer leschet gar:

Vinster ist der sunnen tiuwer. beidiu wâr

Sint diu maere: ir hoeret mêre!

habet für wâr ûf mînen lîp:

rehten man von herzen sêre

scheidet nieman wan diu wîp.


Ouwê ouwê, frouwe Minne, mir ist wê.

Nû grîf her, wie sêre ich brinne. kalter snê

Müeste von der hitze brinnen,

diu mir an dem herzen lît.

kanstu, Minne, triuwe minnen,

sô hilfestu mir enzît.

Ein Lied und es ist das siebente Lied

Ach, worüber sollen wir uns sorgen? Frohsinn ist gut!

Von den Frauen soll man sich die gute Stimmung holen.

Wohl sei dem, der dies erreichen kann

von ihnen, der ist ein glücklicher Mann.

Die Freude soll man wegen ihnen lieben,

denn darin liegt große Ehre.


Wir sollen tanzen, singen und lachen mit den Frauen.

So kann ein Mann erreichen, daß sein Leben

wertvoll wird, wenn er voller Treue

einer guten und edlen Frau dient.

Wem seine Dienstbarkeit unangenehm ist,

dem wird nur selten der Kummer geringer.


Mit dem Wasser löscht man zur Gänze das Feuer und

in der Finsternis ist die Sonne wertvoll, beide Dinge

sind wahr. Ihr sollt noch mehr hören und

für die Wahrheit bürge ich mit meinem Leben:

Einen aufrichtigen Mann von seinem verletzten Herzen

trennen kann niemand außer eine Frau.


Ach und weh, „Frau Minne", es geht mir schlecht.

So spürt doch wie sehr ich brenne. Kalter Schnee

müßte bei dieser Hitze verbrennen,

welche in meinem Herzen wohnt.

Kannst du, Geliebte, treu mich lieben,

so hilfst du mir noch rechtzeitig.

Viele Textelemente stehen ganz in der Tradition der konventionellen Minnelyrik, aber gerade in den letzten beiden Strophen bringt Ulrich eigene Phantasiebilder als besonders „gelungene Vergleiche":

Auch er wußte, daß Schnee niemals brennen konnte. Will er mit diesen Worten seine wahre Liebe beweisen, oder ist ebenso ein wenig Augenzwinkern mit dabei?

Wenn man bedenkt, daß er im „Frauendienst" auch davon berichtet, aus Liebe das Badewasser der Geliebten getrunken und sich einen Finger abgeschnitten zu haben, um diesen der Angebeteten zu schicken, dann liegt die Auslegung, es sei Satire, sehr nahe.

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